Wir danken Herrn Wolfgang Roth sehr herzlich, dass er uns seine umfassende Sachkunde zur Verfügung gestellt hat.
Wenn Eschollbrücken zu seiner Kirchweihe rüstet, die im Jahr 2017 fast wieder auf den Tag genau mit der Einweihung der Kirche im Jahre 1728 zusammenfällt, so soll uns dies Anlass geben, den Blick auf die Geschichte des Eschollbrücker Gotteshauses zu lenken. Da unsere schnelllebige Zeit nur noch wenig Sinn für die ursprüngliche Bedeutung dieses Festes hat, wollen diese Zeilen versuchen, ihn, soweit das möglich ist, wieder lebendig werden zu lassen und ein Bild des Werdens der evangelischen Kirche zu Eschollbrücken zu vermitteln.
Eschollbrücken zählt zu den Dörfern des Riedes und der Bergstraße, denen die Geißel des Dreißigjährigen Krieges besonders übel mitgespielt hat. Es war, wie die Chronik berichtet, „in die äußerste Ruine versetzt“ und vollkommen entvölkert. Nur zwei Gebäude hatten die Wirren dieses Krieges überstanden: das Rathaus und die Kirche, die überhaupt das älteste Bauwerk des Ortes darstellt. Keine Urkunde vermeldet, wann sie in ihrer ursprünglichen Form errichtet wurde, aber Bauart und Glockeninschrift weisen auf das ausgehende Jahrhundert. Man wird also nicht wesentlich fehlgehen, wenn man das Jahr 1480 als Erbauungsjahr der Kirche annimmt. Das Portal im Westen zeigt spätgotische Formen, und die altehrwürdige Glocke im Turm trägt die Jahreszahl 1488. Sie hat, nebenbei gesagt, die beiden letzten Kriege überstanden, weil ihr hohes Alter sie vor dem Einschmelzen bewahrte. An den Turm schloss sich nach Osten, alter kirchlicher Sitte entsprechend, das Kirchenschiff an. Es war wesentlich kleiner und enger als das heutige und reichte damals, als regelmäßiger Kirchenbesuch der Gemeindeglieder noch ein fester Brauch war, nicht aus. Dieser Mangel trat besonders an hohen Festtagen augenfällig in Erscheinung. Dazu kam noch, dass es im Laufe der Zeit, weil es weniger fest gefügt war als der Turm, recht baufällig wurde. So ist es nicht verwunderlich, dass der tatkräftige Pfarrer Johann Daniel Viétor, der nahezu 50 Jahre in hiesiger Gemeinde wirkte, sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts zielbewusst bei dem hessischen Landgrafen für einen Neubau einsetzte. Er wurde in seinem Plane bestärkt durch das neue Lebensgefühl, dass sich nach den furchtbaren kriegserfüllten Zeiten wieder regte, und durch die Forderungen der Reformation, die sich nun auf einer anderen Ebene austragen ließen, indem man den düsteren, aber mit Pomp überladenen Räumen mittelalterlicher Kirchen nun einfache, lichtdurchflutete entgegenstellte. Mit dem Schultheiß Thomas Wetzel, dem Gerichtsverwandten Nikolaus Leichtweiß, der zugleich Kirchenältester und Kastenmeister war, fuhr er am 9. Juli 1725, wie dem Kirchenbuch zu entnehmen ist, nach Darmstadt, trug sein Anliegen dem Superintendenten vor und richtete zwei Tage später ein Gesuch an den damaligen Landgrafen von Hessen. Zwar vergingen noch drei volle Jahre, bis alle Vorbereitungen soweit gediehen waren, dass der Neubau in Angriff genommen werden konnte, der unter Leitung des fürstlichen Baumeisters Sonnemann stand. Am 3. März 1728, es war an einem Mittwoch, predigte Pfarrer Viétor zum letzten Mal in der alten Kirche, und noch am gleichen Tage wurde mit dem Abbruch des Schiffes begonnen. Wie gut die Vorbereitungen getroffen waren, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass bereits nach acht Monaten die Einweihung der neuen Kirche stattfinden konnte. In der Zwischenzeit war der Gottesdienst, wie auch in späteren Jahren, wenn das Heizungsmaterial knapp wurde, im Rathaussaal abgehalten worden. Das neue Kirchenschiff nahm sich gegenüber dem alten recht stattlich aus. Zunächst war es in seinem Grundriss bedeutend größer, und auch in der Höhe übertraf es das alte Kirchlein um ein beträchtliches. Das zeigt sich schon deutlich daran, dass der Dachfirst über das östliche Schallloch des Turmes hinausgeht und es verdeckt. Neben einer schönen Kanzel und einer Empore nach der Turmseite wirkte das Innere der Kirche recht dürftig. Es fehlte zunächst noch die Orgel, ohne die wir uns heute den Gottesdienst nicht mehr vorstellen können. Trotzdem wurde die Einweihung in feierlicher Form vollzogen, worüber uns ein genauer Bericht im Kirchenbuch vorliegt: Die gesamte Gemeinde versammelte sich im Pfarrhaus und zog in einer Prozession zur neuen Kirche. Pfarrer trugen die heiligen Gefäße, die Bibel, die Augsburger Konfession und die evangelische Kirchenordnung dem Zuge voran. Die Einweihungspredigt hielt Superintendent Gebhardt aus Darmstadt. An die Schuljugend wurden Brezeln und Kringen ausgeteilt. Die Kollekte an diesem Tag ergab die beachtliche Summe von 45 Gulden und 18 Albus. Wenn auch eine Kollekte, die in 40 Gemeinden Hessens zugunsten des Eschollbrücker Kirchenbaues durchgeführt wurde, 2500 Mark ergab, der Landgraf seine finanzielle Hilfe nicht versagte, so stellte der Neubau doch eine ungeheure Belastung für die Bürger des Dorfes dar. Die Opferfreudigkeit der Gemeinde, die damals 300 Seelen zählte, wird unterstrichen, wen man bedenkt, dass im gleiche Jahr der Helm des Kirchturms erneuert, das Schulhaus erbaut und das Pfarrhaus hergerichtet wurde. Daneben darf nicht vergessen werden, dass dies alles in einer Zeit geschah, in der noch die Not des Dreißigjährigen Krieges und die Folgen der Franzoseneinfälle schwer auf dem Land lasteten.
Chronik der Eschollbrücker Kirche – Erbauungsjahr wahrscheinlich 1480 / Glocke mit der Jahreszahl 1488 Rund 230 Jahre hat nun das Kirchenschiff überdauert, dessen Einweihung noch wie ehedem am ersten Sonntag im November mit der Kirchweihe festlich begangen wird. Im Verlaufe dieser Zeit musste es sich aber noch manche Veränderung gefallen lassen. Wie schon erwähnt, fehlte zunächst die Orgel, die erst im Jahre 1781 angeschafft werden konnte. Es war ein kleines Werk, das der Darmstädter Orgelbauer Praun einbaute. Sie versah ihren Dienst etwa 80 Jahre lang und musste dann einem größeren Instrument weichen, das die Gemeinde bei dem Darmstädter Orgelmeister Keller in Auftrag gegeben hatte. Es muss noch eingeschoben werden, dass mit der Aufstellung der alten Orgel gleichzeitig die Orgel- und die Seitenempore errichtet wurden. Aber auch das Äußere der Kirche hat im Verlaufe der Zeit Veränderungen erfahren. So wurden im Jahre 1868 die vier Ecktürmchen des Glockenturmes weggenommen, da sie, wie es scheint, Regenwasser eindringen ließen und häufige kostspielige Reparaturen verursachten. Ihre Entfernung bleibt noch heute zu bedauern, denn sie haben den Kirchturm, der heute zu spitz zum Himmel ragt, des Ebenmaßes seiner ursprünglichen Gestalt beraubt. Eine größere Kirchenreparatur fand im Jahre 1912 statt. Ein Teil des Gebälkes war schadhaft geworden und musste ersetzt werden, das Kircheninnere wurde neu gestrichen, das -äußere erhielt einen neuen Bewurf und der Ofen, der früher in der Mitte des Raumes stand, wurde an die Wand gerückt, wo er noch heute seinen Platz hat. Er wird jedoch in Bälde einer elektrischen Raumheizung seine Aufgabe abtreten müssen. Dem Bericht des damaligen Ortspfarrers Dr. Drescher über diese Renovierung ist zu entnehmen, dass nach ihr Eschollbrücken wieder ein schönes, helles und freundliches Gotteshaus besaß, das allen Anforderungen entsprach, die eine kleine Landgemeinde an ein solches zu stellen berichtigt ist. Höhepunkte in der Geschichte der Eschollbrücker Kirche bilden die 200-Jahr-Feier am Kirchweihtag des Jahres 1928, bei der Prälat Dr. D. Diehl die Festpredigt hielt, und die Feier der 225. Wiederkehr des Einweihungstages, der die Anwesenheit und Ansprache des hessischen Kirchenpräsidenten, Martin Niemöller, ihr besonderes Gepräge verlieh. Während des letzten Weltkrieges wurde der Kirchturm in Dachhöhe durch einen Artillerietreffer stark beschädigt. Die Folgen wurden durch eine gründliche Reparatur im Jahr 1948 beseitigt, wobei sich wieder einmal zeigte, wie solide und dauerhaft die Holzkonstruktion des Turmes ist. Drei Jahre später erfolgte die letzte Renovierung des Innenraums der Kirche unter Pfarrer Dr. Kurt Uhrig, der den Kirchenmaler Kienzle aus Alsbach mit der Ausschmückung der Decke und der Nordseite beauftragt hatte.
Auch die Glocken haben ihre eigene Geschichte. Während die alte Glocke von allen Kriegszeiten unberührt im Turme hängen bleib, musste die zweite, die wesentlich jüngeren Datums war, im Ersten Weltkrieg zur Einschmelzung abgeliefertwerden. Drei Jahre nach Kriegsende erwarb die Gemeinde aus eigenen Mitteln eine neue Glocke in der zuversichtlichen Hoffnung, sich lange ihres Besitzes erfreuen zu können. Doch die Hoffnung trog, und schon 20 Jahre später musste sie den gleichen Weg wie ihre Vorgängerin antreten, wodurch das Geläut viel an Klangschönheit verloren hatte. Immer wieder wurde jedoch der Wunsch nach einer zweiten Glocke laut, und als sich im März 1952 die Möglichkeit bot, von dem Glockenfriedhof in Hamburg für eine geringe Entschädigung eine Glocke zu erhalten, griff die Kirchengemeinde freudig zu. Noch im gleichen Jahr konnte ein elektrischer Antrieb für beide Glocken eingebaut werden, die gut aufeinander abgestimmt sind und klangvoll über das Dorf schallen. Die Geschichte der Kirche ist ein Teil der des Ortes. Ihr steil zum Himmel aufragender Turm weist wie ein ausgestreckter Zeigefinder nach oben: Symbol und Mahnung, aufzustreben aus irdischer Enge in lichte Höhe.
Der steinerne Taufstein in der Kirche trägt die Inschrift: „Johanes Rot unt Valadin Rot habent disen Stein verehrt“ (1729). Er wurde bei der Renovierung der Kirche im Jahre 1912 auf Anregung des damaligen Ortspfarrers, Dr. Richard Drescher, der den Wert echte Volkskunst wohl zu schätzen wusste, wieder an seinen alten Platz inmitten der Kirche versetzt, nachdem er für lange Zeit in einer entlegenen Ecke gestanden hatte, und ein hölzerner an seien Stelle getreten war. Der jetzt vorhandene Altar, der sich durch seine geschmackvolle Schlichtheit auszeichnet, wurde im Jahre 1859 errichtet.
Bilder unserer Glocken und eines wieder aufgefundenen Ziffernblattes (das jetzt den Garten des Gemeindehauses als Steh-Tisch schmückt):
Bilder unserer Orgel:
Fotos: Werner Beringer (mit bestem Dank!)